Parodontologie

Schwangerschaft / Frühgeburten

In den USA kommt etwa jedes zehnte Kind zu früh auf die Welt; in Deutschland liegt die Frühgeburtenrate bei 6 bis 8 Prozent. Trotz medizinischer Fortschritte und verbesserter Schwangerschaftsvorsorge hat sich an dieser Tatsache seit Jahren nicht viel geändert. Worin liegen also die Ursachen? Zu den bekanntesten Risikofaktoren für eine Frühgeburt zählen sicher Rauchen und Alkoholgenuss während der Schwangerschaft. Dass aber auch eine bakteriell ausgelöste Entzündung in der Gebärmutter und sogar Entzündungen in anderen Körpergeweben, wie eine Erkrankung des Zahnbettes, die Schwangerschaft beeinflussen können, wird erst in den letzten Jahren in Fachkreisen diskutiert. Studien amerikanischer Mediziner haben gezeigt: Bei Frauen mit unbehandelter Zahnbetterkrankung ist das Risiko einer Frühgeburt um mehr als das Siebenfache erhöht.

Nach neueren Erkenntnissen sind überwiegend bakterielle Infektionen in der Gebärmutter der Auslöser für eine Frühgeburt. Als Reaktion auf eine solche Infektion produzieren das Immunsystem und die beteiligten Gewebe so genannte Entzündungsmediatoren (Prostaglandine und Interleukine). Sie aktivieren die körpereigenen Abwehrmechanismen und können sowohl eine vorzeitige Wehentätigkeit als auch einen Sprung der Fruchtblase auslösen. In Verbindung mit einer verfrühten Erweichung des Muttermundes – auch durch eine bakterielle Infektion herbeigeführt – kann es dadurch zu einer Frühgeburt kommen.

In den USA weisen heute Studien darauf hin, dass auch eine Parodontitis – eine Entzündung in einem von der Gebärmutter sehr viel weiter entfernten Bereich des Körpers – den Schwangerschaftsverlauf verkürzen und damit das Geburtsgewicht von Neugeborenen beeinflussen kann. Prof. Steven Offenbacher von der Universität Chapel Hill in North Carolina, USA, hat den Gesundheitszustand des Zahnhalteapparates von Frauen innerhalb von drei Tagen, nachdem sie ein Kind vorzeitig zur Welt gebracht hatten, untersucht. Bekannte Frühgeburtsrisiken wie Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum, Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen, vorangegangene Schwangerschaften, Infektionen des Genitaltraktes und Ernährungsfehlverhalten wurden in die statistische Auswertung mit einbezogen. Unter Berücksichtigung all dieser bekannten Risikofaktoren zeigte sich, dass eine unbehandelte Parodontitis das Risiko einer Frühgeburt um das 7,5fache erhöhte. Daten aus weiteren Laboruntersuchungen stützen diese Ergebnisse. So konnte nachgewiesen werden, dass bei Müttern, die untergewichtige und zu früh geborene Kinder zur Welt gebracht hatten, eine größere Menge der Entzündungsmediatoren Prostaglandin und Interleukin in der entzündeten Zahnfleischtasche vorhanden war als bei Frauen, die normalgewichtige Kinder geboren haben.

Inwieweit eine Parodontitis Auswirkungen auf den Schwangerschaftsverlauf haben kann, lässt sich derzeit nur vermuten. Fachleute nehmen an, dass entweder Bakterien aus blutenden Zahnfleischtaschen oder Giftstoffe, die von diesen Bakterien produziert werden, in die Blutbahn geraten und so zu weit entfernten Geweben des Körpers gelangen. Ist gleichzeitig die körpereigene Abwehr geschwächt, kann es zu den oben beschriebenen Wechselwirkungen kommen.